Mittwoch, 3. Juli 2013

Der Schrecken der IN-Transparenz

Einerseits empfinde Oliver-August Lützenich das heimliche Sammeln von Informationen als Frechheit - Frechheit deshalb, wenn *ich davon nicht auch informiert werde, dass *ich "gesammelt" werde -, andererseits merke *ich, dass auch *ich ständig Daten sammle, ohne dieJeniges, von denen *ich sie sammle, zu informieren.

Ich weiss zum Beispiel, wann mein direkter Nachbar seine Zeitung und seine Brötchen holt, wann Sie - die Nachbarn - Kaffee trinken, welche Sendungen Sie gerne sehen, was Er für Farben bevorzugt trägt, was Sie gerne für Brillen und sonstige Accessoires trägt, wohin sie gerne Spazieren, wo sie einkaufen und so weiter und so fort. Von den anderen Nachbarn weiss *ich ähnlich viel - oder auch wenig? -, weil Mensch ratscht ja auch mal ganz gerne im Treppenhaus. 

Also bekam *ich im Laufe der Nachbarschaft so am Rande so einiges mit, ohne dass *ich je danach gefragt hätte. Und die Nachbarn wissen so einiges von *mir, was genau, keine Ahnung, *ich habe Sie danach nie gefragt, wahrscheinlich ist sowohl bei *mir als auch bei den Nachbarn viel (irr)Glauben und verzerrtes dabei.

Vielleicht sollten Wir auch hier im Haus eine Datenbank anlegen, in die jed-Es einträgt, was Es vom ander-Es weiss, glaubt, schätzt und hält, damit Wir einander auf diese Weise akkurat und gänzlich informieren, was im Haus so Sache ist, was hier so hinter den Türen und in der Haut so abläuft, dann sind alle Vermutungen beseitigt und alle UnKlarheiten aufgehoben, bis zum nächsten Eintrag.
.

Nachbarschaft, vor dem Haus
.
Lange Rede, kurzer Sinn: Oliver-August Lützenich gebe zu, dass *ich heimlich beständig Daten aus meiner direkten und auch ziemlich weiten Umgebung sammle, ohne Diese und auch die WEITE darüber direkt zu informieren, dass ich es tue und wieviel ich jeweils weiss. Das ist doch eine Frechheit, oder?

Wenn *ich das meinen Nachbarn erzähle, bricht bestimmt ein Sturm der Entrüstung los und *ich werde aus diesem schönen Haus gemobbt, vertrieben, oder?

Allerdings ist ja klar, dass zum Beispiel meine Mutter noch Ereignisse und Anekdoten von mir wusste, von denen ich heute keine Ahnung habe und die ich auch nicht mehr von Ihr erfahre, auch alles einfach so gesammelt, ohne mich darüber zu informieren.

Ach wissen Sie, je mehr ich davon schreibe, umso weniger verstehe ich die Aufregung. Weil es doch so normal und so alltäglich ist Daten zu sammeln, ohne dasJenige oder dieJenigen davon zu informieren, von denen Mensch sammelt, es ist einfach ein vollkommen natürlicher Prozess in allen Lebewesen, genannt auch Neugier. Dient der Sicherheit und der Orientierung.

Dass die USA ..., dass überhaupt inzwischen alle Organisationen, die auch nur halbwegs erkennen, wo überall Menschen sind, wieviele verschiedenen Kulturen und ErLebens-arten es gibt, na, noch einfacher, dass dies eine winzig kleine Welt ist, ein kleines winziges "RaumSchiff", in diesem so gigantischen, riesigen, enormen, wahnsinnigen Universum ist, in dem Wir alle Nachbarn sind und darin gem-Einsam zusammenleben.

Alle, die das auch nur halbwegs erkennen und auch nur halbwegs eine Ahnung von der Vielfalt des Menschen und unserer Komplexität haben, also auch davon, dass das Mensch auch Schwerverbrecher, auch Mörder, auch liebevoller Nachbar und hilfsbereiter Kollege, und auch verantwortlicher Mit-Mensch ist, sammeln auch weltweit Informationen von Uns, ob das nun als Ethnologe, als Psychologe, als Geologe oder als Geheimdienst ist.

Vielleicht ist die Aufregung, die momentan "herrscht" (Herrschaft-Zeiten!!!), "nur" eine der plötzlichen Erkenntnis. Aber auch der immer noch fehlenden Einsicht ins Selbst, also wie *ich oben, an *mir, beschrieb: 

Jed-Es tut es, muss es tun; muss es tun, sonst krepiert Es, Daten zu sammeln ist [üb]erLebens-wichtig. Wo ist also der Punkt der Aufregung?

Weil es andere auch tun?
.
*ich, vor zwei Tagen,
in der Brezel Bar
.
Aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 13.06.2013.
Von Emanuel Derman

Titel: Die Datenschürfprogramme der Regierungen.
Ich möchte meine Freiheit zurück
Untertitel: Neugier auf die Daten der anderen ist menschlich. Doch die großen Datenschürfprogramme der Regierungen verändern unser Leben. Nun wird die Idee der Anarchie wieder reizvoll.
Hier ein Auszug daraus.

Und hier noch der Link zu dem Original mit den Kommentaren:

Sieben Beispiele: In letzter Zeit hat Ihre dreizehnjährige Tochter sich merkwürdig verhalten, in der Schule verbringt sie Zeit mit Kindern, die Ihnen ganz und gar nicht gefallen. Sie führt ein Tagebuch, auf dem steht: „Privat! Nicht öffnen.“ Gerade ist sie in der Schule. Sie fragen sich, was sie beschäftigt, machen sich Sorgen, wollen wissen, was in ihr vorgeht. Öffnen Sie das Tagebuch?

[...]

Geben Sie der Versuchung nach?

Gleiches Szenario, aber dieses Mal ist das Badezimmer akkurat und reinlich; es liegen keine persönlichen Gegenstände herum. Beim Händewaschen sehen Sie vor sich den Medizinschrank. Sie sind versucht, ihn zu öffnen und herauszufinden, welche Medizin Ihre Chefin einnimmt, was für persönliche Gegenstände sie hier wohl aufbewahrt.
Geben Sie der Versuchung nach?

[...]

Ihre langjährige Partnerin hat sich während der letzten Monate merkwürdig distanziert verhalten. Sie geht früh ins Bett, und manchmal steht sie mitten in der Nacht auf und liest ihre E-Mails. Eines Abends benutzt sie ihren Laptop ein letztes Mal und schläft direkt danach ein. Eine Viertelstunde später bemerken Sie, dass sie vergessen hat, sich aus ihrem E-Mail-Konto auszuloggen. Sie könnten ohne weiteres ihre Nachrichten lesen. Geben Sie dem Gefühl des Misstrauens nach und schnüffeln in Dingen herum, die Sie nichts angehen?

[...] 
{Ich vermute, an den Beispielen, die *ich in dem Auszug belassen habe und mit meinen VorWorten wird klar, um was es geht.}

Auf Streifzug durch die Postfächer

Vor vielen Jahren arbeitete ich für ein großes Unternehmen. Eines Nachmittags schickte mir jemand von außerhalb folgenden Witz auf meine Dienstadresse: „Eilmeldung! Die Schulverwaltung von New York hat beschlossen, jüdisches Englisch zur Zweitsprache zu erheben. Die offizielle Bezeichnung für diese Sprache lautet ,Hebonics’.“ Ich musste grinsen, weil ich das Ganze für einen jüdischen Witz hielt. Ich verstand, worauf er Bezug nahm: auf die afroamerikanische Umgangssprache, die viele „Ebonics“ nennen. Als mich ein Freund, der in meinem Büro vorbeikam, fragte, worüber ich lache, sagte ich: „Ich leite es dir weiter.“

Einige Wochen später rief mich ein hierarchisch höhergestellter Kollege an, er war voll des Mitleids: Ich solle mich darauf einstellen, bald eine förmliche Verwarnung zu erhalten. Kurz danach bekam ich - so wie viele meiner Kollegen - tatsächlich einen Brief aus der Rechtsabteilung. Ihm war eine Kopie der E-Mail beigelegt, die ich meinem Freund weitergeleitet hatte.

Jemand hatte sie aus den Tiefen der zentralen Server gefischt. So verwarnte man mich - wenigstens nur mich, nicht ihn -, ich dürfe meine berufliche E-Mail-Adresse nicht für persönliche Zwecke benutzen. Jemand war auf Streifzug durch die Postfächer gegangen und dabei auf etwas gestoßen, von dem man - vielleicht nicht ganz zu Unrecht - annahm, dass es von bestimmten Gruppen als eine beleidigende Parodie verstanden werden könnte, die schlimmstenfalls rechtliche Konsequenzen für das Unternehmen gehabt hätte. Dies war der Zeitpunkt, an dem ich verstand, dass meine E-Mail-Kommunikation in einem Unternehmen nicht privat ist. Und Regierungen sind mehr und mehr wie Unternehmen.

Die naheliegende Form der Statistik

Daten, die uns nicht gehören, sind allgegenwärtig. Jeder ist neugierig, einige sind es ein bisschen mehr, andere ein bisschen weniger. Wir interessieren uns für das Privatleben anderer Menschen, für den Konflikt zwischen ihren Gedanken, ihren Worten und Taten, dafür, was andere denken, was sie in ihren Büros, ihren Häusern, ihren Köpfen tun, wenn die Türen geschlossen sind. Es ist die ultimative ödipale Versuchung.

In der guten alten Zeit analysierten Wissenschaftler noch begrenzte Datenmengen, sie formulierten Hypothesen und Theorien, berieten sich darüber, welche Experimente zu bewerkstelligen seien, sammelten die dafür notwendigen Daten, untersuchten sie und verglichen die Ergebnisse wiederum mit ihren Hypothesen.

Heute ist das Datenschürfen, das automatisierte Sammeln von Informationen, die naheliegende Form der Statistik. Zunächst sammeln die Wissenschaftler, so viel es geht, und zwar alle möglichen Arten von Daten; dabei machen sie keinerlei Grundannahmen, formulieren keine Hypothesen. Und dann suchen sie nach Mustern.

Warum die NSA-Enthüllung die Menschen ungerührt bleiben lässt

Als die Flugzeuge in das World Trade Center rasten, war ich nur ein paar hundert Meter entfernt. Ich lief über neun Kilometer nach Hause und brauchte ein halbes Jahr, um das Gefühl loszuwerden, dass jeden Moment eine Katastrophe über uns hereinbrechen könnte. Man kann sich nicht vorstellen, was es bedeutet, in einem Teil der Welt zu leben, in dem einem in jedem Moment Gewalt widerfahren kann.

Ich verstehe also durchaus die Bereitschaft, nahezu alles dafür zu tun, dass so etwas nicht noch einmal geschieht. Ich verstehe, warum die Menschen und die Politiker in den Vereinigten Staaten, die das Glück gehabt haben, zuvor noch nie in ihrer Heimat angegriffen worden zu sein, nun weitgehend ungerührt blieben von der Enthüllung, dass die NSA im Bunde mit den entsprechenden Unternehmen jeden Telefonanruf, jede Kurznachricht und jede E-Mail verfolgt hat.

Freiheit als Freiheit vor Einmischung

Aber allein in den Vereinigten Staaten gibt es über eine Million Geheimnisträger, darunter anscheinend mehrere hunderttausend, denen streng geheime Informationen obliegen. Die meisten von ihnen haben menschliche Regungen. Wie viele von ihnen oder von denen, die ihnen Befehle erteilen, haben nie die Versuchung verspürt, in die Badezimmerschränke anderer Menschen hineinzuschauen? Wenn es all diese Daten einmal gibt, wenn man sie mit derartig großem Aufwand gesammelt hat, dann schreien sie danach, benutzt zu werden.

Je älter ich werde, desto mehr neige ich einer Definition von Freiheit zu, wie Isaiah Berlin sie formuliert hat: Freiheit als Freiheit vor Einmischung. Ich möchte nicht kontrolliert werden. Ich möchte nicht beobachtet werden. Ich verstehe natürlich den Wert, den das Recht zu wählen darstellt, vor allem, wenn es einem nicht gegeben ist, aber ich überlege ernsthaft, ob ich nicht bereit wäre, es aufzugeben im Austausch für das Recht, dass sich niemand auf diese Weise in mein Leben einmischt. Die Vision von Anarchie erscheint mir zunehmend attraktiver - naiv, ich weiß! -, und zwar in genau jenem Sinne, dass ich es bevorzugen würde, wenn es keine Regierung gäbe, nicht im Sinne einer wilden Unordnung, zu welcher die Anarchie angeblich führt.

Die Ursache für Veränderung, Wandel und Entwicklung

Die NSA wurde geschaffen, um Menschen auszuspionieren. Man könnte sagen: Ihre Metaphysik, das innere Prinzip, nach dem sie funktioniert, ist keine Physik. Die Metadaten, die sie sammelt, sind aber trotzdem Daten. Zwar hat die NSA Gründe für ihr Vorgehen, aber diese Gründe können hinterfragt werden. Die Handlungen der NSA bilden die These. Snowden und Greenwald können ebenfalls hinterfragt werden, sie sind die notwendige Antithese.

Wie die Synthese aussehen sollte, weiß ich nicht. Daher zitiere ich, was die englischsprachige Wikipedia zum dialektischen Materialismus von Marx schreibt: Alle Dinge beschließen in sich immanent dialektische Widersprüche, und die sind die Ursache für Veränderung, Wandel und Entwicklung in der Welt.
Enjoy the show.
Ende FAZ-Kolumne.

Es geht darum, dass k[aum]ein-Es gerne manipuliert und instrumentalisiert werden möchte, weder heimlich noch unheimlich, also offen und direkt, es geht auch darum, dass Wir scheinbar auf fast jede aufgedeckte, vorher also unbekannte oder unbewusste Facette der eigenen oder auch der anderen Lebendigkeit, erst mal mit Aufregung reagieren.

Mal wohlig, wenn es eine Anerkennung gar ein Lob ist, mal gereizt, wenn es etwas anderes ist; und dieses "anderes" ist eben AllEs und All-Es, ausser dem persönlichen Streicheln und das ist mehr, als ich mir im Augenblick vorstellen kann, weil das auch jede Menge grundsätzlich Menschliches ist, was, wenn es mal ins Bewusst-Sein einsteigt, jede Menge Aufregung erregt, also zum Beispiel auch Unser grundsätzlicher Zwang (jeden Zwang kann ein-Es auch umgehen, aber erstmal drückt jeder Zwang gewaltig!) zum Sex, also dem Trieb zur Fortsexung, was wird da für ein neurotisches Gewese darum gemacht, bis Heute, in manchen Bereichen der Menschheit mehr, in anderen ist es inzwischen ruhiger, gelassener geworden, aber selbst grundsätzliche, Uns Lebewesen ausmachende Erkenntnisse, verursachen im ersten Erkenntnis-Moment meist grosse Aufregung: Um Himmels Willen!!! Ich sammle Informationen und das auch noch "heimlich", also ohne AllEs und Jed-Es sofort davon zu unterrichten, dass ich es tue! Ein Verbrechen?

Nein, kein Verbrechen, sondern Normalität und Zwang, aber es wird trotzdem RaumZeit, dass Wir Alle dessen bewusst sind, dass Wir es tun, dass Wir es tun müssen, dass Wir einander aber endlich auch davon berichten, wo es aufbewahrt wird, wenn es kleinere und grössere Gruppen (Firmen, Organisationen, Staaten) in besonders umfangreicher Art tun und - das ist vielleicht das Ergebnis der momentanen Aufregung und dafür ist sie dringend erforderlich! - dass Wir, also jedes Mensch, zu jedes RaumZeit vollen Zugriff auf diese Daten und Analysen, die damit erzielt werden, erhalten.

Dass also jed-Es davon informiert wird Wo, Was, Wieviel und Warum etwas von ein-Es gespeichert ist. Ich könnte jetzt also gleich zu den Nachbarn gehen und Ihnen alles, was *ich so von Ihnen weiss, ahne und vermute erzählen, *ich vermute nur, das wissen Sie schon, oder haben gerade wenig RaumZeit, das von *mir anzuhören, weil ...

Ja genau, jetzt hab ichs. Nicht das blosse und heimliche Sammeln ist der Kern oder Grund der Aufregung, sondern der systemimmanente DaSein-Impuls der Transparenz, der Offenheit und Zugänglichkeit alles Gespeicherten und Gewussten, von allem DaSeienden ist die Ursache. Keine Heimlichkeiten mehr! Wir wollen Alle Zusammen Un-Heimlich DaSein.
Weiter so und Danke.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen