Sonntag, 12. Februar 2012

Nach der SHOAH?

Vorwort: Max Frisch, aus Tagebücher: "Sie (Deutsche) haben unser Vertrauen in die eigene Menschlichkeit erschüttert. Wenn Menschen, die gleiche Worte sprechen, wie ich, und eine gleiche Musik lieben, wie ich, keineswegs gesichert sind Unmenschen zu werden, woher beziehe ich fortan meine Zuversicht, dass ich davor gesichert sei?"
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George Grosz, "Explosion"
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Angeregt durch den Gedenktag zur Befreiung des KL Auschwitz und einen Beitrag über die Folgerungen  und den Umgang mit der Shoah (Holocaust), von Julia Seeliger, in einem FAZ-Blog.

Hier ein Auschnitt daraus:
«..., dass Steinbach die Deutschen für die "zweite große Opfergruppe des Zweiten Weltkriegs neben den Juden" halte. Die Tätervolk-Debatte um den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann  - eine typische Täter-Opfer-Umkehr.
Ja, wer hört schon gern unangenehme Wahrheiten. Auch in Familien wird das meist totgeschwiegen. Eine nationale Psychose.
Es ist kalt, winterkalt. Bitterkalt. Das Lager Auschwitz 1 sieht aus wie ein gemütliches Backsteindorf. Hinein, hindurch unter dem zynischen "Arbeit macht frei". Wir sind mit einer Gruppe deutscher, österreichischer und polnischer junger Erwachsener da. Eine Baracke nach der anderen. Haare, Brillen, Prothesen - alles haben die Nazis weiterverwendet. Und die Arbeitskraft der Gefangenen. Kapitalistische Verwertung als Abfallprodukt der Menschenvernichtung. Einer Menschenvernichtung, die auf der Nazi-Ideologie der Ungleichwertigkeit fußte.
Das sollten wir alles wissen. Wissen wir aber nicht. Wollen wir nicht hören. Relativieren. Das "private Auschwitz" verdrängen.
Nach jeder Baracke wird es schlimmer. Die ersten fangen an zu weinen. Kellerverliese. Menschenversuche. Draußen beginnt es zu schneien. Schwer vorstellbar, wie Menschen hier auch nur drei Tage überlebt haben. Jeden Tag harte Arbeit. In Sträflingskleidung. Barfuß. Im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wird wieder gelacht. Buffer Overflow. Grauen an Grauen. Schriftzüge "Verhalte dich ruhig" an den Wänden der Baracken. Und die Gaskammern.
Deutsche Gaskammern.«

Ein Kommentator mit dem Namen "Gachmuret" schrieb: "Wir haben den Vorteil, bereits zu wissen, wie man es nicht verhindert. Und genau daran krankt die Holocaustthematisierung in den Schulen. Das, was damals geschah, ist derart erschütternd grauenvoll, daß es mich erstaunt, mit welch merkwürdig verkopfter, ritualisierter Distanz dieses Thema häufig behandelt wird. Es ist ein schwieriges Thema - aber ich erwarte von dieser Gesellschaft, daß sie sich dem Thema stellt. Und dazu gehört eben auch, im Geschichtsunterricht das Grauen darzustellen. Dann braucht es auch keinen jährlichen Aufguß der immergleichen Reden."

Den meisten Beiträgen zur Shoah, merke ich eine kühle Distanz zu diesem Ereigniskomplex an und das wird der Schwere und Wirkung der Shoah leider nicht gerecht. Die Shoah ist eines der wichtigsten und für die weitere Entwicklung der Menschheit bedeutendsten Ereignisse. Sie hält nicht nur den "deutschen" Menschen die tiefgreifendste Spiegelung des Mensch-Seins vor, sondern dem Menschen als Ganzes, als Spezies, ohne zu verkleinern, dass es eben "deutsche" Menschen waren, die dieses brutalste und sarkastischste Handeln angefangen und "durchgeführt" haben.

Folgendes möchte *ich noch erwähnen:
Ich bin bei all meinen Betrachtungen und all den Themen, die ich auswähle, nur an der Wahrheit interessiert, Lügen, Umdeutungen und sonstige Verzerrungen der Wirklichkeit, habe ich genug wahrgenommen und leidvoll erfahren / erlitten! Mir geht es darum, Erkenntnisse in allen Dimensionen und jeder Weite zu gewinnen und auch die Shoah in alle Erkenntnisse und Erfahrungen der Menschheit einzubetten, also auch in die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Soziologie, die Psychologie, die Biologie, die Physik, ... , soweit *ich von ihnen Kenntnis habe, ohne auch nur irgendeine Facette der Grausamkeiten, die geschehen sind abzumildern, oder auch zu überhöhen.

Denn, ohne diese Einbettung in die Weiten der menschlichen Erfahrungen, werden Wir keine Auflösung der Verkrampfung und Unsicherheit erfahren, die auch zu dem Hass und dem Schrecken solcher Taten, wie der Shoah, geführt haben. Ich denke, erst mit der Einbeziehung aller Erkenntnisse des DaSein und des SEIN, sind Wir in der Lage, Uns Menschen, die Mit-Lebenwesen und das Geschehene passend und schlüssig einzuordnen und zu bewerten, um so auch herauszufinden, zu klären, wie Wir den Ausbruch solcher Kälte, Ignoranz und Gewalt ausheilen, denn Gesund sind diese Taten für Keines.

Warum ist die Einbettung des Grauens der Shoah in die Menschheit wichtig?
In 09/2010 haben sich Scharfschützen der US-Army im Irak, in Siegerpose vor einer US-Fahne mit unten angehängtem Banner fotografieren lassen, auf dem in Übergrösse die zwei SS-Runen abgebildet waren, Prinz Harry kam in 2005 mit einer Hakenkreuz-Armbinde auf eine Party; und sind die Massenmorde in China, der Sowjetunion, Kambodscha und Ruanda nur singuläre, örtliche und gruppenspezifische Ereignisse gewesen, oder sind auch sie aus der "Menschlichkeit" heraus entstanden?

Ausgrenzung, Folter und Massenmord sind Menschlich, sind - a u c h - Menschlich, die Shoah ist(/war) eine Misshandlung der deutschen Menschen.
Dafür tragen Wir, die wir uns "Deutsche" nennen, die Verantwortung der Erkundung des Warum und Wie, der Erklärung einer geeigneten Veränderung zu Verhinderung solcher grauenvollen Misshandlungen, aber vor allem eines Vorangehens in diesem Veränderungsprozess der Menschlichkeit.

Denn, wie auch Sie in den Medien mitbekommen, ist auch die aktuelle Menschlichkeit noch voller Ausgrenzung, Abschätzigkeit, Fremden- und Selbsthass (Anders Breivik ist eines der jüngeren Beweise), voller Paranoia, Panik, Hass ...

Die nur auf das "Deutsche" und Deutschland, als geschichtliche RaumZeit, beschränkte Aufarbeitung der Shoah greift dabei zu kurz, und ist viel zu eng. Das empfinde *ich, Oliver-August Lützenich, so.

Um diese Misshandlungen einzuordnen und zu bewerten, ohne sie dabei abzuschwächen, von-s ich zu weisen oder auch zu überhöhen, ist die Einbettung in das Mensch-Sein, als Spezies in dieser irdischen Lebendigkeit erforderlich.
Wie handelt das Mensch, warum handelt -Es so, wie -Es handelt, welche Ursachen hat das Mensch, welche Handlungen sind, aufGrund der Umstände, in denen das Mensch eingebettet ist, gefordert, was an Handlungsweisen ist wirklich Frei, was ist einer Situation geschuldet?
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Braucht das einen Untertitel?
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Immer wieder wird mit dem Begriff "Schuld" hantiert und schwadroniert:
Schuld? Schuld ist ursprünglich die «rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung«: "Tragen Sie ihre Schuld ab.", Bringschuld, Geldschuld und wurde dann auch zu einer «Verpflichtung zur Busse«, nach einem Vergehen, einer Verfehlung oder einem Verbrechen. Kann die Shoah darauf reduziert werden?

War der fabrikative Massenmord in den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor, Chelmno, Auschwitz und ..., waren die Gräuel der Ghettos und Konzentrationslager, oder das Massenverhungern von Millionen sowjetischer Kriegsgefangener, ein Verbrechen?

Lediglich? Was waren diese Taten dann? Ich vermute, mit Worten wie Schuld und Menschheitsverbrechen, werden Wir der Schwere und der Bedeutung dieser Misshandlungen nicht gerecht. Das merke ich auch an der, für mich, oberflächlichen Diskussion zur "Schuld", auch in diesem Blog (FAZ-Blog. Diesen Beitrag habe ich nicht in dem Blog eingestellt, aber so geschrieben, als ob): Hat diese Generation Schuld, oder vielleicht die davor, oder noch die davor ... ja, wo fängt die "Schuld" denn dann an?

Vielleicht schon mit der Zeugung der Menschheit, vielleicht wurde dort schon der Keim für dieses traurige und grauenvolle Desaster des 2. Weltkriegs und der fast 60 Millionen Toten und Millionen von Verwundeten, Entwurzelten und bis heute Traumatisierten gelegt?

Gehen diese Taten so tief hinein und reichen die Anfänge so weit zurück? Ohne die Antworten auf diese und noch tiefere und weitere Fragen, werden Wir eine wirkliche Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse im damaligen Deutschland, in Polen, der Sowjetunion und darumherum, nicht erreichen, somit eine Uns von diesen Misshandlungen wirklich befreiende Handlungs-Weise weiter verfehlen. Die Distanz dazu, ist in Ihrem Beitrag (Frau Seeliger) und in vielen Diskussion dazu deutlich zu spüren.

Auch zu den Opferzahlen gibt es ständig Debatten (u.a. von der CDU Abgeordneten Frau Steinbach): Ich denke, es ist jederzeit möglich zu erwähnen, dass die Zahl der getöteten deutschen Menschen, die zweithöchste der Getöteten Menschen im 2. Weltkrieg in Europa ist, wenn folgendes dabei nicht unerwähnt bleibt (siehe im weiteren): Die meisten Getöteten hat die Sowjetunion zu beklagen, ca. 27 Millionen Menschen, davon etwa 11,4 Millionen Soldaten, alleine etwa 3,3 Millionen davon verhungerten (wurden verhungert!) in deutscher Kriegsgefangenschaft, dann folgen die Getöteten auf deutscher Seite, etwa 9 - 10 Millionen, davon 5,7 Millionen Soldaten, 3 Millionen "Zivilisten" und noch fast 1 Million deutscher Menschen, die von anderen deutschen Menschen in Konzentrationslagern zu Tode gequält oder gemordet wurden (ist das Selbst-Tötung zu nennen?), dann folgen die 6 Millionen Getöteten jüdischen Menschen, ... Frau Steinbach liegt also fast richtig, aber sie verschweigt das Deutschland den Krieg und das Morden angefangen hat, deshalb ist "Opfergruppe" ein dämlicher Euphemismus, eine Frechheit, bei all den Informationen die bekannt und bewiesen sind. Und Frau Steinbach und Andere lassen gerne unerwähnt, dass der Anteil der Getöteten der jeweiligen Menschengruppe ein deutlich verschiedener ist, während also von deutschen Menschen etwa 12 - 15 Prozent der Gesamtzahl getötet wurden (Selbst-Schuld?), waren es von den jüdischen Menschen fast 50 Prozent. Beim einen Bild wurde eine Ecke wegggerissen, beim anderen Bild eine ganze Hälfte. Somit ist das "Opfer" ... NEIN, mir gefällt diese Wort nicht, auch nicht in diesem Zusammenhang, da das Opfer ursprünglich und bis Heute die Darbringung einer Gabe an einen Gott/Götter ist, Opfern also eine kultische Handlung ist und war: War das Dritte Reich ein Kult und die Shoah eine kultische Handlung, die vielen Millionen Toten, darin 6 Millionen jüdische Menschen, also eine Opfergabe?

Somit ist der Schmerz und das Leid zu dem die jüdischen Menschen gezwungen wurden weitaus höher, als das, was die deutschen Menschen für dieses grauenvolle Tun erlitten.

Joachim Fest, FAZ, 29.01.1979, in einem «Nachwort» zur Fernsehserie "Holocaust":
"Die blosse Emotion bewirkt sowenig wie das blosse Wissen. Erst aus der Verbindung beider kann jene gefestigte Einsicht kommen, die unseren geschichtlich begründeten Pessimismus verringern würde."

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