Mittwoch, 22. Februar 2012

Das erHörte Staunen!

Das ist Harold Whittles, photographiert Anfang der 1960er, von dem Photographen Jack Bradley.
Sehen Sie das Hörgerät im rechten Ohr von Harold?
Der kleine Junge war bis kurz vor diesem Zeitpunkt taub.
Durch den Einsatz des Hörgeräts konnte er nun auch diesen Sinn, diese WAHR-Nehmung benutzen.

Jack Bradley drückte auf den Auslöser, als das Hörgerät zum ersten mal eingeschaltet wurde. Als Harold also das erste mal, in seinem noch kurzen Leben, einen Ton, ein Geräusch wahrnahm.

Verblüffung!

Erstaunen verbreiten die Muskeln nun auch nach Aussen über das Gesicht dieses kleinen Menschen.


Wunderschön, oder?
Was sagt die Philosophie dazu?

Gaston Bachelard: "Für jedes Kind kommt der Moment, da es das Erstaunen über das SEIN erlebt."
Aus: Poetik der Träumerei.

Nun, dieses Kind staunt weniger über das SEIN, als es IM DaSein staunt, was es neben dem fühlen, spüren, schmecken, riechen und sehen noch so alles kann und gibt: jede Menge Töne und Geräusch! Aufregend.

Sokrates: "Der Anfang aller Weisheit ist die Verwunderung." Aus dem Platon-ischen Dialog: Theaitetos.

Ob Harold Whittles wohl ein Weiser geworden ist, durch diese besondere Erfahrung? Denn Wir, die Wir unsere Sinne von Anfang an offen hatten, haben den ersten Moment einer Sinneserfahrung so nie erlebt. Sie sind zwar in Uns, diese Erst-Momente, gespeichert in einem Gefühl, aber ohne dieses Staunen, diese Verblüffung, ohne diese ErInnerung (Bewusst-Sein).

Friedrich II (1180 - 1250), Deutscher Kaiser, wurde wegen seiner Offenheit für die Wirklichkeit, der hohen Bildung, wegen seiner Toleranz und Vielsprachigkeit, auch als «Stupor Mundi» "das Staunen der Welt" bezeichnet.
Hier eine Zeichnung dieses Menschen:



Vielleicht sind Wir Menschen, die bewussten Sinne der Ewigkeit? Die WahrNehmenden des SEIN. Das Bewusst-Sein des SEIN? So Gering, aber doch so bedeutend?
Was (Wer und Welche) weiss das schon. Sie?

Samstag, 18. Februar 2012

HamletMaschine

Dem Ganzen sei eine wunderbare Erkenntnis von Antonin Artaud vorangestellt:
"Um mich von dem Urteil der Anderen zu befreien, habe ich den ganzen Abstand, der mich von mir selbst trennt."

Selbst-Distanz.

Ein Beispiel dazu: "In einem wirklichen Gespräch nimmt ein Mensch durch die Nähe zum anderen Menschen, Abstand vom persönlichen Selbst. Ansonsten ist ein "Gespräch" ein Monolog mit Zuhörern". Abgehört von: Ali Benmakhlouf 

Heiner Müller wurde auch von Antonin Artaud und dessen Theaterexperimenten und Texten inspiriert, gerade auch für dieses Stück.

Versuch einer Text-/Stück-Auslegung.
Die "HamletMaschine", von Heiner Müller.
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Heiner Müller, 1929 - 1995
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Angeregt von Shakespears Hamlet, dem Zauderer und Frager, der nur im Wahnsinn dem traditionellen Verlangen nach Blutrache nachgeben kann, obwohl fast alles in ihm nach Frieden und Weite schreit; -nach Überwindung der Zwänge und Unausweichlichkeiten -; aber eben auch die Wut über den Vatermord ist da und das Verlangen zu bestrafen, neben dem Sehnen nach Veränderung der gegebenen Verhältnisse.

Sein oder Nicht-Sein, folge den rauschhaften Gelüsten und traditionellen Zwängen nach Rache, oder überwinde die Vergangenheit und das alte Handeln, und gehe fort mit der Liebsten ...; aber Nein, er muss, er kann nicht, er muss, muss dem Hass folgen, der aus der verweigerten Trauer spriesst, der aus der Lüge und der Intrige herausquillt, er muss und das kann der Vernunft und der Friedfertigkeit nur schaden, löscht sie in einem inneren Kampf mit den Trieben und einem äusseren Verlangen der Ehre aus. Das Rasen bricht sich Bahn über alles Zögern und Denken hinwegg.

Von dieser Vorlage inspiriert, und von den persönlichen Erfahrungen, Erkenntnissen, der Geschichte und dem aktuellen Geschehen (<=1977) in Schwingungen versetzt, entsteht ein grollender, gellender, bellender Schreibstrom, der links und rechts und oben und unten mitreisst, was in und um einen herum stört, nervt, aber auch glänzt, nach Aufmerksamkeit und Bemerksamkeit schreit, was verstopft ist und was fast schon davonfliegt, Halt!, hiergeblieben, und Hau ab!, verzieh dich, ein Gewaltakt und ein Befriedungsversuch der Sprache. Wut, Wissen und Verzweiflung in die MitMenschen hinein geschrien und geflucht, weil dieser Eine - Heiner Müller - begreifft, dass Er auf Allen Seiten steht, dass Er alle Richtungen versteht, dass Er alle Regungen und Erregungen auch ist: Die Unterdrücker, wie die Aufbegehrenden; und dass Sie, die MitMenschen, so wenig aus dem jeweiligen Selbst machen, dass Sie so gefühls- und denk-passiv an der Selbst-Aufgabe, an der Selbst-Unterwerfung mitarbeiten, dass Sie den vorgefundenen Verhältnissen so denk-träge hingegeben sind, dass die Politik, also die Ausgestaltung und Organisation der Gesellschaft fast immer den "Anderen / Oberen" überlassen wird und ...
Es sind immer die Anderen; doch: Was / Wo sind Die?

Ein Auszug,

aus: '4 Pest in Buda/Schlacht um Grönland' «... Mein Platz, wenn mein Drama noch stattfinden würde, wäre auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber. Ich stehe im  Schweißgeruch der Menge und werfe Steine auf Polizisten Soldaten Panzer Panzerglas. Ich blicke durch die Flügeltür aus Panzerglas auf die andrängende Menge und rieche meinen Angstschweiß. Ich schüttle, von Brechreiz gewürgt, meine Faust in der andrängenden Menge gegen mich, der hinter dem Panzerglas steht. Ich sehe, geschüttelt von Furcht und Verachtung, in der andrängenden Menge mich, Schaum vor dem Mund, meine Faust gegen mich schütteln. Ich hänge mein uniformiertes Fleisch an den Füßen auf. Ich bin der Soldat im Panzerturm, mein Kopf ist leer unter dem Helm, der erstickte Schrei unter den Ketten. Ich bin die Schreibmaschine. Ich knüpfe die Schlinge, wenn die Rädelsführer aufgehängt werden, ziehe den Schemel weg, breche mein Genick. Ich bin mein Gefangener. Ich füttere mit meinen Daten die Computer. Meine Rollen sind Speichel und Spucknapf Messer und Wunde Zahn und Gurgel Hals und Strick. Ich bin die Datenbank. Blutend in der Menge. Aufatmend hinter der Flügeltür. Wortschleim absondernd in meiner schalldichten Sprechblase über die Schlacht. Mein Drama hat nicht stattgefunden. Das Textbuch ist verlorengegangen. Die Schauspieler haben ihre Gesichter an den Nagel in der Garderobe gehängt. In seinem Kasten verfault der Souffleur. Die ausgestopften Pestleichen im Zuschauerraum bewegen keine Hand.
Ich gehe nach Hause und schlage die Zeit tot, Einig / Mit meinem ungeteilten Selbst.
...
Ich will nicht mehr essen trinken atmen eine Frau lieben einen Mann ein Kind ein Tier. Ich will nicht mehr sterben. Ich will nicht mehr töten.
Zerreißung der Fotografie des Autors.
Ich breche mein versiegeltes Fleisch auf. Ich will in meinen Adern wohnen, im Mark meiner Knochen, im Labyrinth meines Schädels. Ich ziehe mich zurück in meine Eingeweide. Ich nehme Platz in meiner Scheiße, meinem Blut. Irgendwo werden Leiber zerbrochen, damit ich wohnen kann in meiner Scheiße. Irgendwo werden Leiber geöffnet, damit ich alleinsein kann mit meinem Blut. Meine Gedanken sind Wunden in meinem Gehirn. Mein Gehirn ist eine Narbe.
Ich will eine Maschine sein. Arme zu greifen Beine zu gehn kein Schmerz kein Gedanke. ...»
Ende Auszug.

Da versammelt ein Mensch - Heiner Müller - alle Erfahrungen, alles gesammelte Wissen um das Selbst-Sein, das Anders-Sein, um Verletzlichkeit, aber auch Raserei, um Hingabe in und mit den Anderen, aber ebenso auch um die Ignoranz, die Abscheu und Abschottung von der umgebenden Welt und rotzt es aufs Papier in einem Gewaltakt der Selbst-Befreiung! Keine Einzelfälle mehr, keine Sonderthemen, kein Herauspicken eines Umstands, eines Gefühls, einer Haltung, sondern ein RundUmSchlag, ein angewidertes Austeilen an den Adressaten Heiner Müller genauso, wie an Alle, die ihm darin folgen können, folgen wollen, die verstehen oder auch nicht, Egal!

Grossartig!!!

Ein menschlicher Vulkanausbruch, dickflüssige Lava rutsch den Hang hinab, nimmt Alles mit was drinnen ist und begräbt beim dahinfliessen Alles, was so da ist. Was drinn ist, muss irgendwann mal raus, sonst frisst es den BeInhaltenden auf. Heiner Müller war sowieso noch schonend mit Uns, sonst wäre Er nicht viel zu früh verstorben, aber es hat trotzdem gut getan.


Hier noch eine kurze und dichte, zusammenfassende Beschreibung der Wurzeln von Hamlet und Hamlet-Maschine:

Aus Süddeutsche Zeitung, vom 15.02.2012, Auszüge aus einer Rezension über ein Buch von Wolfram Ette, von Michael Fischer.
Titel: Die mythische Welt ist nichts als Dekoration ...

«Die "Orestie" des Aischylos, die einzig vollständig überlieferte Tragödien-Trilogie des griechischen Theaters, erzählt die Geschichte der Ermordung des aus dem Trojanischen Krieg heimkehrenden Königs Agamemnon durch seine Frau Klytaimnestra und deren Geliebten Aigisthos, sowie von der blutigen Rache, die Orest an den Mördern seines Vaters nimmt.
Orest wird daraufhin von den Fluch- und Rachegöttinnen, den Erinnyen verfolgt, bis Athene zwischen den Verfolgten und die Verfolgerinnen tritt und Orest am Ende in einer Gerichtsverhandlung freigesprochen wird.
Die Aischyloische Trilogie dokumentiert die Ablösung des archaischen Rechts der Blutrache durch das Prinzip eines gesetzlich geregelten Gerichtsverfahrens. Die traditionelle Schicksalsvorstellung eines transzendent verfügten Verlaufs, gegen den kein Protest möglich ist, wird dabei von Aischylos durch ein neues theologisches Konzept ersetzt, in dem der Mensch als gesellschaftliches Subjekt für seine eigene Geschichte verantwortlich gemacht wird.
...
Auch wenn die Hauptquelle von Shakespears "Hamlet" auf die altnordische Sage "Amleth" zurückgeht, kann das Stück aufgrund der übereinstimmenden Handlungsmotive (Vater[Königs-]mord durch die Ehefrau und deren Geliebten und die Rache des Sohnes), als eine neuzeitliche Bearbeitung des Orestie-Stoffes verstanden werden. Hinzu kommt die Ähnlichkeit der beiden Protagonisten Hamlet und Orest, insbesondere der Beiden gemeinsame Charakterzug des Zögerns.
Hamlet geht mit dem fortwährenden Aufschub des verlangten Rachewerks zunehmend auf Distanz zu sich selbst. Durch sein Zaudern verzögert er die tragische Handlung und eröffnet dadurch einen Spielraum für die Gedanken des Publikums.
Shakespears Theater zeige, so W. Ette, dass die Kunst kein Handeln vorschreiben kann. Sie kann aber Konflikte zutage fördern und einen Freiraum erzeugen, in dem sie artikuliert und durchgespielt werden.«

Ende Auszüge aus der SZ

Schlussbemerkungen:

Was macht des Menschen Grösse aus und was hemmt Uns, was zieht Uns darum auch zur Maschine?
Die Einfachheit, die Widerspruchslosigkeit, die (St[r]ahl-)Kraft, die pure Eingeschränktheit auf eine Aufgabe, - inzwischen auch mehrere -, das Ein- und Ausstellen auf Knopfdruck, - inzwischen Einiges (Internet, E-Werke, Notfall-Maschinen, ...) auch nicht mehr -, die beeindruckende Winzigkeit oder Riesigkeit, die Schmerzlosigkeit und fürchterliche Gewalttätigkeit der Waffen, die bedingungslose Effektivität; all das und mehr hätten Wir auch gerne in und für Uns, sind es aber nun mal nicht und das macht eben Unsere Grösse und Verschiedenheit und Widerständigkeit und Spürbarkeit und Verwirrtheit und Schöpfungsfertigkeit aus, -> und das ist alles garantiert keine Schwäche. Wird aber im Angesicht der Technik von Vielen so empfunden. Einfacheit und Berechenbarkeit ist Denen Trumpf, die Uneinsichtigkeit und Sprunghaftigkeit der Lebendigkeit sind Denen ein Graus, sie möchten Maschine sein.

Eine Gruppe namens -->Kraftwerk<-- versucht sich schon seit den 1970ern an der Musik für diese neue Spezies oder einer Kombination aus Schöpfes und Geschöpftem, mit anderem in dem Album "Die Mensch-Maschine" veröffentlicht 1978. Entstanden also im selben Jahr, wie die HamletMaschine!

Oder sie möchten in / mit der Maschine aufgehen / verschmelzen, Cybernauten sein. Die Kraft, Effizienz und kalte (unspontane) Logik der Maschinen, ist einerseits erschreckend, aber für einen unsicheren, vergesslichen und von Gefühlen oft überwältigten Menschen auch sehr anziehend.

Aber diese Denen und andere Denen, also alles Menschenmögliche: extreme und langweilige, steckt in Jedes von Uns, mal in Eines mehr das Denen, im Anderes mehr "das" Denen. Auch von diesem Mischmasch der Menschlichkeit, vom Reichtum an Blödheit und Klugheit, von Recht[s] und Link[s], von Oben und Unten, die In Jedes eingebaut ist, ohne Alles davon auszuleben und dem Aufruhr, den diese Erkenntnis erregt, handelt dieser Text. Heiner Müller ist klar, dass Mensch das Systemfolger genauso ist, wie das Systemveränderer, das Blockierendes, wie das Vorangehendes.

Was für eine Bandbreite!, was für ein Riesiko!, was für eine Verrücktheit!, birgt das Begreiffen dieser tiefen Selbst-Erkenntnis?

Den völligen Rückzug in die nur persönliche Haut? In den persönlichen Schleim, das persönliche Blut, die persönlichen Exkremente, wie Heiner Müller im Text andeutet? Nach dem Motto: Ich könnt kotzen, wenn ich das Alles mit-Kriege!

Ist die Flucht vor (in?) der Wirklichkeit, der Eskapismus, das Ausblenden, der auch persönlichen Vielfalt und Vielgestaltigkeit hilfreich? Ist es gesünder, wenn (Jedes) Mensch die anderen Menschen, die MitMenschen, als gleiche Spiegelbilder und (aber!) andersgeartete Ausprägungen der menschlichen Möglichkeiten, des persönlichen Selbst, einfach ausblendet, verdrängt, oder ist diese Selbst-Beschränktheit vielleicht doch kränkender?

Wie lange braucht die gesamte Menschheit noch, all die MitMenschen als gleichwertig, gleichwichtig und Diese und das jeweilige Selbst als (aber!) verschieden, als eine Facette der Möglichkeit "Mensch" anzuerkennen, ohne zu erschrecken?

All die Hatz und der Hass oder die Absonderung oder Gleichgültigkeit, die etwas völlig anderes als die Gleichwertigkeit ist, in und zwischen Uns.
Warum?

Vielleicht, weil k[aum]ein-Es bisher Selbst entscheidet, welche Facette -Es und auch, wann -Es diese Facette, die Möglichkeit Mensch zu sein, ausleben möchte, und dass wegen all der Vergangenheit und der Gesellschaftprägungen, den Herkunftsregionen, der Religionen, den Traditionen, den Familien-Verpflichtungen, - Zwänge wohin ein-Es fühlt und spürt, das Fremde in Uns -, ... aber das führt weit über den Text der HamletMaschine hinaus, oder auch dahinter, suchend nach der Ursache der Verstörung, des Zauderns und der Wut, die diesen Text antreibt.

Die Versuchung geht weiter ...

Sonntag, 12. Februar 2012

Nach der SHOAH?

Vorwort: Max Frisch, aus Tagebücher: "Sie (Deutsche) haben unser Vertrauen in die eigene Menschlichkeit erschüttert. Wenn Menschen, die gleiche Worte sprechen, wie ich, und eine gleiche Musik lieben, wie ich, keineswegs gesichert sind Unmenschen zu werden, woher beziehe ich fortan meine Zuversicht, dass ich davor gesichert sei?"
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George Grosz, "Explosion"
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Angeregt durch den Gedenktag zur Befreiung des KL Auschwitz und einen Beitrag über die Folgerungen  und den Umgang mit der Shoah (Holocaust), von Julia Seeliger, in einem FAZ-Blog.

Hier ein Auschnitt daraus:
«..., dass Steinbach die Deutschen für die "zweite große Opfergruppe des Zweiten Weltkriegs neben den Juden" halte. Die Tätervolk-Debatte um den ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann  - eine typische Täter-Opfer-Umkehr.
Ja, wer hört schon gern unangenehme Wahrheiten. Auch in Familien wird das meist totgeschwiegen. Eine nationale Psychose.
Es ist kalt, winterkalt. Bitterkalt. Das Lager Auschwitz 1 sieht aus wie ein gemütliches Backsteindorf. Hinein, hindurch unter dem zynischen "Arbeit macht frei". Wir sind mit einer Gruppe deutscher, österreichischer und polnischer junger Erwachsener da. Eine Baracke nach der anderen. Haare, Brillen, Prothesen - alles haben die Nazis weiterverwendet. Und die Arbeitskraft der Gefangenen. Kapitalistische Verwertung als Abfallprodukt der Menschenvernichtung. Einer Menschenvernichtung, die auf der Nazi-Ideologie der Ungleichwertigkeit fußte.
Das sollten wir alles wissen. Wissen wir aber nicht. Wollen wir nicht hören. Relativieren. Das "private Auschwitz" verdrängen.
Nach jeder Baracke wird es schlimmer. Die ersten fangen an zu weinen. Kellerverliese. Menschenversuche. Draußen beginnt es zu schneien. Schwer vorstellbar, wie Menschen hier auch nur drei Tage überlebt haben. Jeden Tag harte Arbeit. In Sträflingskleidung. Barfuß. Im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wird wieder gelacht. Buffer Overflow. Grauen an Grauen. Schriftzüge "Verhalte dich ruhig" an den Wänden der Baracken. Und die Gaskammern.
Deutsche Gaskammern.«

Ein Kommentator mit dem Namen "Gachmuret" schrieb: "Wir haben den Vorteil, bereits zu wissen, wie man es nicht verhindert. Und genau daran krankt die Holocaustthematisierung in den Schulen. Das, was damals geschah, ist derart erschütternd grauenvoll, daß es mich erstaunt, mit welch merkwürdig verkopfter, ritualisierter Distanz dieses Thema häufig behandelt wird. Es ist ein schwieriges Thema - aber ich erwarte von dieser Gesellschaft, daß sie sich dem Thema stellt. Und dazu gehört eben auch, im Geschichtsunterricht das Grauen darzustellen. Dann braucht es auch keinen jährlichen Aufguß der immergleichen Reden."

Den meisten Beiträgen zur Shoah, merke ich eine kühle Distanz zu diesem Ereigniskomplex an und das wird der Schwere und Wirkung der Shoah leider nicht gerecht. Die Shoah ist eines der wichtigsten und für die weitere Entwicklung der Menschheit bedeutendsten Ereignisse. Sie hält nicht nur den "deutschen" Menschen die tiefgreifendste Spiegelung des Mensch-Seins vor, sondern dem Menschen als Ganzes, als Spezies, ohne zu verkleinern, dass es eben "deutsche" Menschen waren, die dieses brutalste und sarkastischste Handeln angefangen und "durchgeführt" haben.

Folgendes möchte *ich noch erwähnen:
Ich bin bei all meinen Betrachtungen und all den Themen, die ich auswähle, nur an der Wahrheit interessiert, Lügen, Umdeutungen und sonstige Verzerrungen der Wirklichkeit, habe ich genug wahrgenommen und leidvoll erfahren / erlitten! Mir geht es darum, Erkenntnisse in allen Dimensionen und jeder Weite zu gewinnen und auch die Shoah in alle Erkenntnisse und Erfahrungen der Menschheit einzubetten, also auch in die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Soziologie, die Psychologie, die Biologie, die Physik, ... , soweit *ich von ihnen Kenntnis habe, ohne auch nur irgendeine Facette der Grausamkeiten, die geschehen sind abzumildern, oder auch zu überhöhen.

Denn, ohne diese Einbettung in die Weiten der menschlichen Erfahrungen, werden Wir keine Auflösung der Verkrampfung und Unsicherheit erfahren, die auch zu dem Hass und dem Schrecken solcher Taten, wie der Shoah, geführt haben. Ich denke, erst mit der Einbeziehung aller Erkenntnisse des DaSein und des SEIN, sind Wir in der Lage, Uns Menschen, die Mit-Lebenwesen und das Geschehene passend und schlüssig einzuordnen und zu bewerten, um so auch herauszufinden, zu klären, wie Wir den Ausbruch solcher Kälte, Ignoranz und Gewalt ausheilen, denn Gesund sind diese Taten für Keines.

Warum ist die Einbettung des Grauens der Shoah in die Menschheit wichtig?
In 09/2010 haben sich Scharfschützen der US-Army im Irak, in Siegerpose vor einer US-Fahne mit unten angehängtem Banner fotografieren lassen, auf dem in Übergrösse die zwei SS-Runen abgebildet waren, Prinz Harry kam in 2005 mit einer Hakenkreuz-Armbinde auf eine Party; und sind die Massenmorde in China, der Sowjetunion, Kambodscha und Ruanda nur singuläre, örtliche und gruppenspezifische Ereignisse gewesen, oder sind auch sie aus der "Menschlichkeit" heraus entstanden?

Ausgrenzung, Folter und Massenmord sind Menschlich, sind - a u c h - Menschlich, die Shoah ist(/war) eine Misshandlung der deutschen Menschen.
Dafür tragen Wir, die wir uns "Deutsche" nennen, die Verantwortung der Erkundung des Warum und Wie, der Erklärung einer geeigneten Veränderung zu Verhinderung solcher grauenvollen Misshandlungen, aber vor allem eines Vorangehens in diesem Veränderungsprozess der Menschlichkeit.

Denn, wie auch Sie in den Medien mitbekommen, ist auch die aktuelle Menschlichkeit noch voller Ausgrenzung, Abschätzigkeit, Fremden- und Selbsthass (Anders Breivik ist eines der jüngeren Beweise), voller Paranoia, Panik, Hass ...

Die nur auf das "Deutsche" und Deutschland, als geschichtliche RaumZeit, beschränkte Aufarbeitung der Shoah greift dabei zu kurz, und ist viel zu eng. Das empfinde *ich, Oliver-August Lützenich, so.

Um diese Misshandlungen einzuordnen und zu bewerten, ohne sie dabei abzuschwächen, von-s ich zu weisen oder auch zu überhöhen, ist die Einbettung in das Mensch-Sein, als Spezies in dieser irdischen Lebendigkeit erforderlich.
Wie handelt das Mensch, warum handelt -Es so, wie -Es handelt, welche Ursachen hat das Mensch, welche Handlungen sind, aufGrund der Umstände, in denen das Mensch eingebettet ist, gefordert, was an Handlungsweisen ist wirklich Frei, was ist einer Situation geschuldet?
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Braucht das einen Untertitel?
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Immer wieder wird mit dem Begriff "Schuld" hantiert und schwadroniert:
Schuld? Schuld ist ursprünglich die «rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung«: "Tragen Sie ihre Schuld ab.", Bringschuld, Geldschuld und wurde dann auch zu einer «Verpflichtung zur Busse«, nach einem Vergehen, einer Verfehlung oder einem Verbrechen. Kann die Shoah darauf reduziert werden?

War der fabrikative Massenmord in den Vernichtungslagern Treblinka, Sobibor, Chelmno, Auschwitz und ..., waren die Gräuel der Ghettos und Konzentrationslager, oder das Massenverhungern von Millionen sowjetischer Kriegsgefangener, ein Verbrechen?

Lediglich? Was waren diese Taten dann? Ich vermute, mit Worten wie Schuld und Menschheitsverbrechen, werden Wir der Schwere und der Bedeutung dieser Misshandlungen nicht gerecht. Das merke ich auch an der, für mich, oberflächlichen Diskussion zur "Schuld", auch in diesem Blog (FAZ-Blog. Diesen Beitrag habe ich nicht in dem Blog eingestellt, aber so geschrieben, als ob): Hat diese Generation Schuld, oder vielleicht die davor, oder noch die davor ... ja, wo fängt die "Schuld" denn dann an?

Vielleicht schon mit der Zeugung der Menschheit, vielleicht wurde dort schon der Keim für dieses traurige und grauenvolle Desaster des 2. Weltkriegs und der fast 60 Millionen Toten und Millionen von Verwundeten, Entwurzelten und bis heute Traumatisierten gelegt?

Gehen diese Taten so tief hinein und reichen die Anfänge so weit zurück? Ohne die Antworten auf diese und noch tiefere und weitere Fragen, werden Wir eine wirkliche Aufklärung und Aufarbeitung der Geschehnisse im damaligen Deutschland, in Polen, der Sowjetunion und darumherum, nicht erreichen, somit eine Uns von diesen Misshandlungen wirklich befreiende Handlungs-Weise weiter verfehlen. Die Distanz dazu, ist in Ihrem Beitrag (Frau Seeliger) und in vielen Diskussion dazu deutlich zu spüren.

Auch zu den Opferzahlen gibt es ständig Debatten (u.a. von der CDU Abgeordneten Frau Steinbach): Ich denke, es ist jederzeit möglich zu erwähnen, dass die Zahl der getöteten deutschen Menschen, die zweithöchste der Getöteten Menschen im 2. Weltkrieg in Europa ist, wenn folgendes dabei nicht unerwähnt bleibt (siehe im weiteren): Die meisten Getöteten hat die Sowjetunion zu beklagen, ca. 27 Millionen Menschen, davon etwa 11,4 Millionen Soldaten, alleine etwa 3,3 Millionen davon verhungerten (wurden verhungert!) in deutscher Kriegsgefangenschaft, dann folgen die Getöteten auf deutscher Seite, etwa 9 - 10 Millionen, davon 5,7 Millionen Soldaten, 3 Millionen "Zivilisten" und noch fast 1 Million deutscher Menschen, die von anderen deutschen Menschen in Konzentrationslagern zu Tode gequält oder gemordet wurden (ist das Selbst-Tötung zu nennen?), dann folgen die 6 Millionen Getöteten jüdischen Menschen, ... Frau Steinbach liegt also fast richtig, aber sie verschweigt das Deutschland den Krieg und das Morden angefangen hat, deshalb ist "Opfergruppe" ein dämlicher Euphemismus, eine Frechheit, bei all den Informationen die bekannt und bewiesen sind. Und Frau Steinbach und Andere lassen gerne unerwähnt, dass der Anteil der Getöteten der jeweiligen Menschengruppe ein deutlich verschiedener ist, während also von deutschen Menschen etwa 12 - 15 Prozent der Gesamtzahl getötet wurden (Selbst-Schuld?), waren es von den jüdischen Menschen fast 50 Prozent. Beim einen Bild wurde eine Ecke wegggerissen, beim anderen Bild eine ganze Hälfte. Somit ist das "Opfer" ... NEIN, mir gefällt diese Wort nicht, auch nicht in diesem Zusammenhang, da das Opfer ursprünglich und bis Heute die Darbringung einer Gabe an einen Gott/Götter ist, Opfern also eine kultische Handlung ist und war: War das Dritte Reich ein Kult und die Shoah eine kultische Handlung, die vielen Millionen Toten, darin 6 Millionen jüdische Menschen, also eine Opfergabe?

Somit ist der Schmerz und das Leid zu dem die jüdischen Menschen gezwungen wurden weitaus höher, als das, was die deutschen Menschen für dieses grauenvolle Tun erlitten.

Joachim Fest, FAZ, 29.01.1979, in einem «Nachwort» zur Fernsehserie "Holocaust":
"Die blosse Emotion bewirkt sowenig wie das blosse Wissen. Erst aus der Verbindung beider kann jene gefestigte Einsicht kommen, die unseren geschichtlich begründeten Pessimismus verringern würde."